Kirche

Volkstrauertag 2019 - Die Erinnerung lohnt

Wir stehen heute hier, um der Opfer der Kriege und der Gewalt zu gedenken, die in Deutschland, Europa und auch der Welt in den letzten 100 Jahren Menschen heimgesucht haben. Zig Millionen Tote, zig Millionen Verwundete, zig Millionen Witwen, Witwer und Waisenkinder. Millionenfaches Töten, Morden und Verstümmeln, entsprechend millionenfaches Leid. Täter und Opfer, Verbrechen und Schuld: Erfahrungen gerade unseres Volkes wie der anderen Völker Europas, Erfahrungen in den Familien, die über Generationen prägend sind.

Der Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Wolfgang Schneiderhan, früher selbst hochrangiger Offizier, stellte in diesen Tagen die provokante Frage, wozu es das Ritual des Volkstrauertages, dieses Jahr 100 Jahre schon, eigentlich gibt. Auch wir sind hier jedes Jahr wieder beisammen, bei nassem, kalten oder zumindest herbstlichem Wetter. Und? Wie sehen wir das, hier in Kohren-Sahlis? Sollen wir im nächsten Jahr hier nicht mehr zusammenkommen?

Von mir dazu ein deutliches Nein. Denn das Erinnern lohnt. Ich halte es für richtig, jedes Jahr wieder in der nachdenklichen Jahreszeit, vor Buß- und Bettag, vor Totensonntag einen politischen Gedenktag zu haben. Wir blicken dabei ernst und offen in unsere eigene deutsche Geschichte, denken an die Nähe zurück, die der 1. Weltkrieg, der 2. Weltkrieg für uns sind. Mein Urgroßvater fiel als junger Familienvater gleich 1914 in Polen, mein Großvater war als junger Familienvater Soldat von 1939 bis 1945 und kam nur mit einem Bein zurück. Erst 2 Generationen ist es her. Nicht weit weg.

Das Erinnern lohnt. Auch jetzt sind wieder Zeiten, in denen das Gegeneinander das Miteinander zu überwiegen scheint, die Gemeinsamkeit dem Egoismus weicht. Wir erleben das politisch bei uns, wir erleben das politisch in der Welt. Und genau dagegen muß man angehen. Nein, nicht man, sondern wir. Nicht die da oben, nicht die da unten. Nein, wir alle sind in unserem Umfeld, in unserem alltäglichen Dasein dabei gefragt. Denn: Jede Generation muß es wieder tun. Jede Generation baut das Land wieder auf und zurecht, weil es immer wieder in die falsche Richtung verwachsen kann. Jede Generation muß das Haus, in dem wir alle wohnen, gegen die Stürme der Zeiten immer wieder, immer neu sichern. Am ständigen Wiederaufbau des Landes, am Wiederaufbau der Freiheit, des Rechtsstaates, der Sicherheit, der Demokratie müssen wir alle täglich mitzutun.

Das Erinnern lohnt. Es gibt zu den Erfahrungen um Kriege und Gewalt das Wissen um die Vorgeschichte, die Entwicklungen dahin. Ob als von Christopher Clark so bezeichnete Schlafwandler in den ersten Weltkrieg, ob als zielgerechtete Aggression in den zweiten Weltkrieg: es waren Menschen, die es geschehen ließen, es waren Menschen an die Macht gekommen, die es dazu kommen ließen. Wir Menschen machen Fehler, wir Menschen machen aber auch Gutes. Bleiben wir mutig genug, miteinander uns und anderen Gutes zu tun.

Das Erinnern lohnt.

Herzlichen Dank.

Georg-Ludwig von Breitenbuch